Wohnraum: Selten und teuer

Prof. Dr. Matthias Wrede

Ein Interview mit FAU WiSo-Volkswirt Prof. Dr. Matthias Wrede

Wie sieht die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt eigentlich aus – wird Wohnraum deutschlandweit oder vor allem an bestimmten Orten immer teurer?

Seit 2010 bis Mitte 2022 sind die Immobilienpreise deutschlandweit gestiegen, danach setzte ein kurzfristiger Rückgang und dann Stagnation ein. Derzeit steigen die Preise aber wieder. Der Preisanstieg war und ist in den Top-Städten und den Wachstumsregionen deutlich stärker als anderswo. Die Mieten sind über den gesamten Zeitraum gestiegen. Da die Einkommen auch gestiegen sind, ist die Mietbelastung, d.h., das Verhältnis von Bruttokaltmiete und Nettohaushaltseinkommen, durchschnittlich seit 2005 weitgehend stabil. Allerdings sind die Haushalte durch hohe Mieten sehr unterschiedlich belastet: Bezieher niedriger Einkommen, Einpersonenhaushalte und Alleinerziehende, Menschen in den Ballungsräumen und Personen mit kurzer Wohndauer sind deutlich stärker belastet als andere.

Mit Blick auf die Bundestagswahl: Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Politik, Wohnraum wieder bezahlbarer zu machen?

Der gestiegenen Nachfrage muss mit einem größeren Angebot begegnet werden, um Wohnraum wieder bezahlbarer zu machen. Der Wohnungsbau muss erleichtert und kostengünstiger werden. Die Verankerung des Wohnungsbaus als überragendes öffentliches Interesse im Baurecht sowie die Lockerung nicht-sicherheitsrelevanter Regulierung wären Schritte in diese Richtung. Der Bund könnte durch zusätzliche Finanzhilfen die Länder beim sozialen Wohnungsbau verstärkt unterstützen, damit zielgerichtet den Bedürftigen in den von Wohnungsknappheit am stärksten betroffenen Regionen geholfen werden kann. Mietenregulierung hilft kurzfristig, schadet aber langfristig, da sie Bauanreize senkt.

Neben den offensichtlichen Problemen für Privatpersonen, welche Konsequenzen hat der knappe Wohnungsmarkt auf andere Bereiche der Gesellschaft wie zum Beispiel die Wirtschaft?

Wenn bezahlbarer Wohnraum in den Agglomerationsregionen mit Wachstumspotential fehlt, wird das Matching von Arbeitskräften und Arbeitsplätzen beeinträchtigt und Wachstum reduziert. Sorgen über steigende Mieten verunsichern breite Bevölkerungsschichten und erhöhen die Akzeptanz einfacher populistischer Lösungen.

Wie könnten Unternehmen, Städte und sonstige Organisationen dem entgegenwirken?

Kommunen sollten Genehmigungsverfahren beschleunigen, Bauland bevorraten und – wie vielfach bereits üblich – über Konzeptvergaben zur Verfügung stellen, aber auch (Nach-) Verdichtung vorantreiben. Sie sollten lokalen Widerstand gegen Neubau und Verdichtung ernst nehmen und gezielt durch Bürgerbeteiligung und Bereitstellung von Infrastruktur adressieren. Kommunale Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften können aufgrund ihrer Governance, aber auch aufgrund von Größenvorteilen weiterhin eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung bezahlbaren Wohnungsbaus spielen.

 

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Matthias Wrede
Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Sozialpolitik
Tel.: +49911530295951
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