Studie zur Stromproduktion: Emissionszertifikate müssen teurer werden
Energiemarktforscher der WiSo, der Wirtschaftsuniversität Wien (Österreich) und der Fachhochschule Graubünden (Schweiz) haben untersucht, mit welchen Maßnahmen der Ausstoß von Kohlendioxid bei der Stromproduktion am effizientesten gesenkt werden kann. Sie kommen zu dem Schluss, dass eine Verteuerung von CO2-Zertifikaten die Emissionen aktuell wesentlich stärker reduziert als die Förderung regenerativer Energien aus Wind und Sonne. Die Ergebnisse der Studie sind im „Journal of Environmental Economics and Mangement“ – eines der führenden Fachjournals für Umweltökonomie – veröffentlicht worden.
Bis zum Jahr 2030 will Deutschland 55 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase ausstoßen und bis 2050 sogar weitgehend treibhausgasneutral sein. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, setzt die Bundesregierung vorrangig auf die Förderung regenerativer Energiequellen, vor allem Wind und Sonne. Bei der Bepreisung von Emissionen folgt Deutschland dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU ETS), wobei der Preis für Emissionszertifikate lange Zeit deutlich unter 10 Euro pro Tonne CO2 lag. Zwar hat Deutschland die CO2-Bepreisung für Heiz- und Kraftstoffe seit Jahresbeginn auf 25 Euro pro Tonne angehoben, für die Stromerzeugung gilt das jedoch nicht.
Großbritannien geht anderen Weg als Deutschland
„Weniger als 10 Euro pro Tonne Kohlendioxid sind schlicht zu wenig, um Emissionen signifikant zu verringern“, sagt Prof. Dr. Mario Liebensteiner, Professur für Energiemärkte und Energiesystemanalyse am Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der FAU. Gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Gugler von der Wirtschaftsuniversität Wien und Dr. Adhurim Haxhimusa von der Fachhochschule Graubünden hat der Ökonom am Beispiel Deutschlands und Großbritanniens untersucht, welche Steuerungsinstrumente die Treibhausgasemissionen bei der Stromproduktion am effizientesten senken können. „Die Länder verfolgen unterschiedliche Strategien“, sagt Liebensteiner. „Während Deutschland massiv regenerative Energien subventioniert, haben die Briten eine Kohlendioxid-Steuer für den Strommarkt eingeführt. Damit wurde der effektive CO2-Preis auf über 35 Euro pro Tonne angehoben.“
Welche dieser Maßnahmen ist wirkungsvoller? Für ihren Ländervergleich werteten die Forscher die Daten der vergangenen Jahre aus: tägliche CO2-Emissionen aus dem Stromsektor, CO2-Preise, eingespeiste Elektrizität aus erneuerbaren Energien und andere Variablen wie Stromnachfrage, Kohle- und Gaspreise sowie saisonale Effekte. Das klare Ergebnis: Während Deutschland seine Emissionen aus dem Stromsektor nur relativ moderat senken konnte, schaffte Großbritannien eine Emissionsminderung von 55 Prozent seit der Einführung der Stromsteuer im Jahre 2013.
Gas verdrängt Kohle
Die Forscher führen diesen Unterschied auf zwei zentrale Aspekte zurück: Zum einen kann die Förderung regenerativer Energien ihre Wirkung nicht wie gewünscht entfalten. Bei einer geringen CO2-Bepreisung verdrängen Wind- und Sonnenstrom nämlich zuerst die relativ „sauberen“ Gaskraftwerke, während die „schmutzige“ Kohle – vor allem die sehr schmutzige Braunkohle – weitgehend im Markt bestehen können. Erst bei einer sehr hohen Einspeisung von regenerativen Energien wird auch Kohlestrom aus dem Markt gedrängt. Zum anderen – das zeigt Großbritannien – führt eine höhere Besteuerung von Kohlendioxid-Emissionen dazu, dass Kohle als Energieträger zunehmend durch Erdgas ersetzt wird. „Bei der Stromproduktion emittiert Erdgas aber nur zirka halb so viel CO2 wie Kohle“, erklärt Mario Liebensteiner. „Durch einen moderat hohen CO2-Preis wird Kohle unrentabel, und wir sehen einen Sprung in den Emissionen.“
Rechenbeispiel: Was kann man mit einer Milliarde Euro erreichen?
Das Modell ist gut geeignet, die Kosten klimapolitischer Ansätze zu kalkulieren. Die Ökonomen haben ausgerechnet, wie viel Emissionsminderung der Staat beispielsweise mit einer Milliarde Euro „kaufen“ kann. „In Deutschland kann man für diese Summe zum niedrigen Zertifikatpreis von acht Euro pro Tonne rund 20 Millionen Tonnen CO2 reduzieren“, erklärt Liebensteiner. „Investiert man das Geld in derzeitige Einspeisevergütungen für Wind- beziehungsweise Solarenergie, kann man den CO2-Ausstoß um gerade einmal fünf Millionen beziehungsweise eine Million Tonnen senken.“ In Großbritannien wäre der Effekt ungleich größer: Zu einem moderat hohen CO2-Preis von 36 Euro pro Tonne könnte man mit einer Milliarde Euro 33 Millionen Tonnen CO2 reduzieren, mittels derzeitiger Einspeisetarife für Windenergie etwa 18,5 Millionen Tonnen.
Marktbasierte Anreize fördern Brückentechnologien
Der entscheidende Vorteil der britischen Strategie besteht nach Einschätzung der Forscher darin, dass ein CO2-Preis marktbasierte Anreize setzt und nicht vorgibt, welche Technologie zum Zuge kommt. Damit kann beispielsweise relativ sauberes Gas die wesentlich problematischere Kohle weitgehend vom Markt verdrängen. Eine starke Subventionierung erneuerbarer Energien in Verbindung mit einem niedrigen CO2-Preis führt hingegen dazu, dass vorwiegend zuerst Gas verdrängt wird, während Kohlekraftwerke weiterbetrieben werden. „Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass selbst ein moderat hoher CO2-Preis helfen kann, kurzfristig und kostengünstig große Mengen an CO2 zu reduzieren, sofern Gaskraftwerke als Brückentechnologie vorhanden sind“, sagt Liebensteiner. „Langfristig sollte man selbstverständlich auch Gas als fossilen Energieträger durch alternative Energiequellen ersetzen.“
Weitere Informationen
Prof. Dr. Mario Liebensteiner
Professur für Energiemärkte und Energiesystemanalyse
Tel.: 0911/5302-96204
mario.liebensteiner@fau.de