WiSo-Alumnus: Mit einer Suchmaschine Bäume pflanzen
Interview mit WiSo-Alumnus Christian Kroll, Gründer der ökologischen Suchmaschine „Ecosia“
Fast jeder benutzt sie mindestens einmal täglich – Internet-Suchmaschinen wie Google oder Bing. Die Server, über die solche Suchmaschinen laufen, verbrauchen immense Mengen an Energie und tragen damit wesentlich zum CO2-Ausstoß und somit zum Klimawandel bei. In der heutigen durchdigitalisierten Welt ist es jedoch fast unmöglich auf diese Suchmaschinen zu verzichten. Aber geht es nicht trotzdem nachhaltig? Diese Frage stellte sich auch Christian Kroll, der von 2003 bis 2007 Betriebswirtschaftslehre an der Nürnberger WiSo studierte, und gründete 2009 die ökologische Suchmaschine „Ecosia“. Mittlerweile ist sie laut Kroll Europas größte Suchmaschine.
Was das Besondere an „Ecosia“ ist, wie seine Zeit an der FAUWiSo ihn geprägt hat – das und einiges mehr hat uns Christian Kroll im Alumni-Interview verraten.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine ökologische Suchmaschine zu programmieren?
Bei mir war es so, dass ich schon während des Studiums an der FAU ein kleines Internetprojekt hatte. Bei dem Projekt ging es darum eine Webseite zu programmieren, mit der die Leute verschiedene Online-Banken und Broker vergleichen konnten, um sich für einen der Dienste entscheiden zu können. Um Trafic auf diese Seite zu bekommen, musste ich Geld an Suchmaschinen überweisen und habe so schnell mitbekommen, was für ein gutes Geschäftsmodell zum Beispiel Google hat. So kam die Idee, dass ich etwas im Bereich Suchmaschinen machen wollte.
Gleichzeitig habe ich während einer längeren Weltreise, die ich nach dem Studium gemacht habe, gemerkt, was für ein großes Problem der Klimawandel ist und wie viel soziale Ungerechtigkeit und Naturzerstörung es auf unserem Planeten gibt. Dagegen wollte ich etwas unternehmen und habe festgestellt, dass Bäume pflanzen eine der besten Arten ist wie man all diese Probleme angehen kann. So kam die Idee für eine Suchmaschine, die Bäume pflanzt.
Wie ist der Name entstanden?
„Ecosia“, das war für mich ein bisschen die Idee von Utopia oder sogar Fantasia oder Malaysia. Also eine Welt, wo ein ökologisches, nachhaltiges Leben mehr oder weniger stattfindet und vielleicht auch ein bisschen eine Fantasiewelt, zumindest zu aktuellen Zeitpunkt. Ecosia – das ist für mich eine Art grünes Utopia.
Was macht „Ecosia“ zu einer ökologischen Suchmaschine und wie funktioniert das?
Der größte Effekt, den wir bei „Ecosia“ haben, ist natürlich, dass wir unsere gesamten Gewinne in Baumpflanzprojekte oder grüne Projekte investieren. Jeden Monat gehen mindestens 80 Prozent unserer Gewinne in Baumpflanzprojekte, wodurch vielen Menschen und auch Ökosystemen geholfen wird. Vor allem aber wird pro Suche ein Kilogramm CO2 absorbiert und da viele Menschen viele Suchanfragen tätigen, kommt da sehr schnell ein großer Effekt zusammen. Das ist die positivste Auswirkung von „Ecosia“.
Zusätzlich sind wir auch in den kleineren Dingen ökologisch, das heißt, wir sind nicht nur 100 Prozent CO2-neutral was unsere Server angeht, sondern 200 Prozent. Wir haben genug Photovoltaik-Kraftwerke gebaut, um nicht nur unsere Server mit grünem Strom zu versorgen, sondern um sogar noch mehr grüne Energie in das Netz einzuspeisen. Das ist auch ein sehr wichtiger Aspekt von „Ecosia“, dass keine negativen Emissionen durch den Betrieb entstehen.
Zudem gibt es jeden Mittwoch ein Frühstück und Mittagessen bei „Ecosia“, wo es nur vegetarische Kost gibt. Wir versuchen auch Flugreisen so gut es geht zu vermeiden, aber wenn es mal nicht anders geht, dann neutralisieren wir die natürlich. Diese Dinge, die leider noch nicht bei allen Unternehmen Standard sind, es aber meiner Meinung nach sein sollten, machen wir schon seit Jahren. Auf diese Weise versuchen wir ein Vorbild zu sein auch für andere Unternehmen, die sich in diesem Bereich noch schwertun.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne für „Ecosia“ aus?
Wir wollen natürlich weiterhin viele Bäume pflanzen und wachsen, denn je mehr Menschen „Ecosia“ nutzen, desto mehr Bäume können wir pflanzen. Zusätzlich wollen wir eine Suchmaschine programmieren, die den Menschen hilft nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Wenn man beispielsweise in ein paar Monaten oder Jahren bei „Ecosia“ nach einem Flug von München nach Berlin sucht, dann zeigen wir vielleicht Flugoptionen ab, weisen aber auch darauf hin, dass man lieber den Zug nehmen sollte, um mehrere 100 Kilogramm CO2 einzusparen.
Wir wollen nicht nur eine Suchmaschine sein, die Bäume pflanzt, sondern auch eine, die Leuten hilft grüner zu handeln. Zudem wollen wir mit „Ecosia“ natürlich auch ein Vorbild sein. Wir haben schon mehrere größere Unternehmen tatsächlich dazu inspiriert, ihre Nachhaltigkeitsziele höher zu stecken.
Was hat Sie 2003 zum BWL-Studium an die FAU bzw. die WiSo geführt?
Als ich 16 Jahre alt war, habe ich das erste Mal mit Aktien gehandelt, bin so auf BWL gekommen und fand das sehr spannend. Nicht unbedingt, um damit reich zu werden, sondern das war mehr oder weniger ein interessantes Spiel während der Schulzeit. So kam ich auf die Idee Bank- und Börsenwesen zu studieren und da war der Lehrstuhl in Nürnberg sehr renommiert – und so bin ich in Nürnberg gelandet.
Mein Fokus ist später etwas weg von den Börsen gegangen, weil ich gemerkt hab, dass das nicht unbedingt das ist was mich glücklich macht. Ich denke, das Studium war eine gute Grundlage für meine Entscheidung, Geschäftsführer eines Unternehmens zu werden.
Was ich mir damals allerdings gewünscht hätte, wäre ein Fokus weg vom reinen Shareholder Value hin zu der Verantwortung, die man als Unternehmer oder als Mitarbeitender in einer führenden Position in einem Unternehmen für die Gesellschaft hat. Es gab mal den Lehrstuhl für Wirtschaftsethik, aber das war nur eine Art Randfach. Ich hätte mir gewünscht, dass das mehr im Zentrum des Studiums steht.
Wie würden Sie die Rolle Ihres Studiums an der FAU für die Gründung von „Ecosia“ und für Ihre Tätigkeit als CEO einschätzen?
Wie ich oben bereits angedeutet habe, war das Studium eine gute Basis. Ich verstehe so ein paar Sachen wie Steuern, Finanzierung oder auch Buchhaltungsthemen. Wenn ich das nicht gelernt hätte, dann müsste ich vermutlich viel nachholen, von daher war das Studium in dieser Hinsicht sehr nützlich. Zu denken wie ein Betriebswirt und zu verstehen, wie die Wirtschaft generell funktioniert, ist meiner Meinung nach wichtig, wenn man die Welt verändern möchte. Daher bin ich sehr dankbar für diese Basis.
Hatten Sie auch mal Angst zu scheitern?
Eigentlich nicht wirklich. Meine Bedenken waren eher, dass es nicht schnell genug geht. Wenn man sieht, wie schnell der Klimawandel voranschreitet, dann muss noch sehr viel mehr passieren und das ist das, wo bei mir die Angst herkommt. Der Klimawandel ist die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte. Die Corona-Pandemie ist ein großes Event, aber der Klimawandel ist meiner Meinung nach tausendmal schlimmer und bedrohlicher. Da kommt etwas Gigantisches auf uns zu und ich habe das Gefühl, dass viele das noch nicht verstanden haben. Es kommt zwar so langsam ein Wandel, aber wir tun bei weitem noch nicht genug, um letztendlich das Überleben unserer Zivilisation sicherzustellen.
Gibt es etwas aus Ihrer Studienzeit, an das Sie sich besonders gerne erinnern?
Nürnberg ist eine sehr sympathische Stadt. Sie hat die richtige Größe zum Studieren und gerade mit meinen Kommilitonen und Kommilitoninnen hatten wir eine ganz tolle Zeit und ein tolle WG, in der es viele Partys gab. Das war eine schöne Erfahrung. Ich hätte vielleicht noch ein Auslandssemester machen können, aber dafür habe ich mir ja danach die längere Auszeit gegönnt und bin eineinhalb Jahre um die Welt gereist, um ein besseres Bild vom Ausland zu bekommen.
Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Kommilitonen und Kommilitoninnen?
Die gesamte Studierendentruppe von damals trifft sich tatsächlich mehrmals im Jahr. Die meisten sind zwar im Süden von Deutschland während ich in Berlin bin, aber ab und zu schaffe ich es auch zu den Treffen – der Kontakt besteht also auf jeden Fall noch.
Wo sehen Sie noch dringenden Handlungsbedarf im Bereich Umweltschutz?
Wir müssen vor allem erstmal damit aufhören, Wälder abzuholzen. Das ist so ziemlich das dümmste, was man tun kann, da dabei massive CO2-Emissionen entstehen. Dann müssen wir anfangen Wälder wieder aufzuforsten. Wenn wir das Problem des Klimawandels lösen wollen, brauchen wir in den nächsten 20 Jahren eine Billionen Bäume, die zusätzlich gepflanzt werden müssten und davon sind wir noch sehr weit entfernt.
Ein weiterer Bereich, in dem ein großer Wandel erfolgen muss, ist die Landwirtschaft. Momentan haben wir eine Landwirtschaft, die vor allem CO2 ausstößt und Ökosysteme zerstört. Wir brauchen aber eine Landwirtschaft, die Ökosysteme repariert und CO2 bindet, indem Humus aufgebaut wird. Kurz gesagt: Wir müssen weg von einer chemischen Landwirtschaft, hin zu einer ökologischen Landwirtschaft. Das hätte auch ganz viele andere positive Effekte: Die Nahrung würde gesünder werden und könnte Krebserkrankungen reduzieren.
Generell sollte ein Umdenken stattfinden. Wir Menschen dürfen nicht mehr davon ausgehen, dass wir die Welt so zerstören können, dass sie uns so viele Produkte wie möglich liefert. Wir sind Teil dieses Planeten und wir müssen für diesen Planeten sorgen. Wir müssen weg von dem Gedanken, dass wir diese Welt dominieren können, und damit anfangen sie zu reparieren. Wir müssen auch dafür sorgen, dass er für alle Lebewesen und künftige Generationen eine schöne und funktionierende Heimat sein kann.
Weitere Informationen auch direkt unter www.ecosia.org oder im entsprechenden Wiki-Artikel. Ein weiteres ausführliches Interview finden Sie auf my-green-choice.de.
Foto: Shane McMillan